In meinem letzten Post, ???zum Glück arbeiten wir mit angezogener Handbremse??? vertrat ich die These, dass konfliktfreie Projekte keine effektiven Projekte sind. Rolf Kurath kommentierte diese These damit, da?? er noch keinen erfolgreichen Veränderungsproze?? ohne saubere Steuerung erlebt habe, dagegen schon viele Projekte, welche ihre Ziele ohne präventiv implementiertes Konfliktmanagement erreicht hätten. Ich nehme diese Rückmeldung gerne auf, um zu klären, warum es vielen Führungskräften so schwer fällt, Konfliktmanagement präventiv aufzusetzen.
Wer in Konflikte gerät, hat als Führungskraft versagt
???Wer sich Hilfe in der Transformation von Konflikten holen muss, hat als Führungskraft versagt???. Wer diese verbreitete ??berzeugung teilt, hat es natürlich schwer, vor sich selber und seinen Kollegen, ein präventives Konfliktkonfliktmanagement zu rechtfertigen. Präventives Konfliktmanagement wäre sozusagen ein Versagenseingeständnis schon bevor das Projekt beginnt. Neurobiologische Untersuchungen zeigen, da?? wir in Konflikten in Stress geraten und die Hirnleistung sich reduziert. Das eigene Verhalten verändert sich. Zuerst wird auf Strategien zurückgegriffen, welche schon früher oft funktioniert haben, man fällt zurück in kindliche Verhaltensweisen wie Schreien oder Türen zuschlagen. Nimmt der Stress durch den Konflikt zu und funktionieren immer weniger Hirnareale, dann wird schlie??lich auf den Bereich des Hirns zurückgegriffen, welcher immer funktioniert: die archetypischen Verhaltensmuster wie dreinschlagen, davonlaufen oder sich tot stellen, sprich resignieren. Alles nicht ganz optimale Strategien zur Lösung eines Konflikts.
Schwelende Konflikte im Projekt treiben jeden mehr oder weniger in solche Stre??situationen. Um weiterhin richtig zu funktionieren, ist man akut auf Konflikttransformation durch Dritte angewiesen oder man schlägt sich durch, auch mit tiefen Wunden.
Konflikttransformation on demand
Wer einsieht, da?? in Konflikten Unterstützung durch Dritte nötig ist, kann einwenden, ???Wir lösen Konflikte wie Probleme ??? erst dann, wenn sie auftreten???. An die Stelle des präventiven Konfliktmanagements tritt dann das Konfliktmanagement ???on demand???. Es fragt sich natürlich, ob man in der Stre??situation des ausgebrochenen Konflikts noch erkennen kann, wie sinnvoll eine Unterstützung von dritter Seite wäre, wenn man nur noch dreinschlagen, davonlaufen oder sich totstellen möchte.
Ein Argument für ein Konfliktmanagement ???on demand??? liefern die Kosten. Man möchte als Führungskraft nicht unnötig Geld ausgeben. Machen wir ein kurzes Rechenbeispiel.
Eine Stunde lang streiten sich der Divisionsleiter (150.-/h) und der Projektleiter (80.-/h) intensiv anlässlich einer Projektausschusssitzung über die Art der Projektführung. Beide zusammen haben damit 220.- Konfliktkosten generiert. Der Abteilungsleiter regt sich anschlie??end noch eine halbe Stunde über das Gespräch auf und kommt eine Viertelstunde später zu seinem Folgetermin mit seinen acht Abteilungsleitern (100.-/h), währenddessen diese untätig auf ihren Chef gewartet haben. Damit ergeben sich folgende Kosten 75.- für die halbe Stunde des Divisionsleiters und 8 x 25.- für das Warten der Abteilungsleiter. Das macht 275.- an indirekten Konfliktkosten und damit mehr als die einstündige Diskussion zwischen Projektleiter und Divisionsleiter. Da?? der Konflikt weitere Kreise auch beim Projektleiter zieht ist nachvollziehbar. Damit steigen auch die Konfliktkosten weiter:
Das hei??t, für eine Kostenabwägung zwischen der Investition für zusätzliches Konfliktmanagement müssen solche nachgelagerten Konfliktkosten auf Personen- Team- und Organisationsebene ehrlicherweise einberechnet werden, was nicht ganz einfach ist, sich aber mit verschiedenen Konfliktkostenkategorien ganz gut abschätzen lä??t. Damit rechnet sich ein präventives Konfliktmanagement relativ schnell.
Präventives Konfliktmanagement rechnet sich
Wer Konflikte als Führungsversagen mi??versteht und deshalb präventives Konfliktmanagement gar nicht in Betracht zieht, nimmt im Konfliktfall eine fatale Intransparenz der Kosten in Kauf.
Präventives Konfliktmanagement unter dem Aspekt der Kostenwahrheit zu beurteilen, bedeutet, den tatsächlichen Konfliktkosten ins Auge zu blicken. Diese fallen im Führungsalltag sehr hoch aus.
Hier noch ein paar Kennzahlen der KPMG als Input für vielleicht ein Rechenbeispiel aus der eigenen Unternehmung?
??? 30 bis 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht.
??? Fehlzeiten aufgrund betrieblicher ??ngste und Mobbing am Arbeitsplatz belasten Unternehmen jährlich mit ca. 30 Milliarden Euro.
??? Die Kosten pro Mobbingfall betragen im Durchschnitt 60.000 Euro.
??? Fluktuationskosten, Abfindungszahlungen, Gesundheitskosten aufgrund innerbetrieblicher Konflikte belasten Unternehmen jährlich mit mehreren Milliarden Euro.
??? Ein Prozent der Mitarbeiterkosten p. a. gehen für unverarbeitete Konflikte verloren.