Ein Wirtschaftsprüfer: Zu tricksen sei ja verzeihlich, weil man sich in einem globalen Markt durchzusetzen hat. Tatsächlich?
In einem Kundengespräch mit ABSOLUTUM äu??erte sich ein Wirtschaftsprüfer, als die Rede auf den VW-Skandal kam: Zu tricksen sei ja verzeihlich, weil man sich in einem globalen Markt durchzusetzen hat. Ja?
Ja, unter einer Voraussetzung. Der Markt sei ein Programm mit einem einzigen Code ??? dem Kampf ums Dasein. Der Stärkere gewinnt, das Schwächere mu?? weichen. Zu überleben gegen andere ist das natürliche, gegebene, hinzunehmende Prinzip. Alles, was ihm entspricht, ist angemessen, weil allein realistisch.
Diese Voraussetzung kann man teilen. Man kann sie aber auch anzweifeln. Und wenn wir unser geschichtlich gewachsenes Marktverständnis Revue passieren lassen, wachsen tatsächlich Bedenken.
Der Markt ist eine moderne Idee. Das Mittelalter unterscheidet sich von unserer Zeit dadurch, da?? es nicht erkannte, wie auf dem örtlichen Markt in der Stadt das Verhalten der Menschen sich zu ändern begann. Hier entfaltete sich etwas ganz Neues: das Konkurrenzprinzip. Es war insofern etwas ganz Neues, als es die soziale Ordnung der Feudalgesellschaft einfach au??er Kraft setzte. Unerachtet des Standes ging es darum, den anderen das beste Angebot zu machen und dafür belohnt zu werden.
Das Mittelalter war deshalb unfähig, das Konkurrenzprinzip des städtischen Marktes zu erfassen, weil (durch die Definitionsmacht der aristotelischen Philosophie) Politik, ??konomie und Ethik als Denkdisziplinen getrennt waren. Dabei erschöpft sich die Idee des Marktes nicht darin, in der Konkurrenz zu bestehen ??? ebenso ist er eine politische und eine ethische Herausforderung. Ein Beispiel: Das beste Angebot zu belohnen, führt ungehemmt über Monopole in die Oligarchie. Will man das aus politischer Sicht? Und das eingangs genannte Beispiel: Das Konkurrenzprinzip reizt die Schlechteren dazu, die Besseren auf korrupte Weise auszustechen. Will man das aus ethischer Sicht?
Der Fortschritt seit dem Mittelalter besteht darin, da?? wir uns heute diese Fragen stellen. Damit ist der Markt nicht blo?? als nackter Kampf ums Dasein zu begreifen. Ob es verzeihlich ist zu tricksen, hängt davon ab, wie wir leben wollen. ??berleben allein reicht uns nicht.