Integrität in Unternehmen – Kolumne

Prof. Dr. Ulrich Zwygart

Das lateinische Wort „integritas“ steht für „unversehrt“, „intakt“, „vollständig“. Im unternehmerischen Kontext ist ein Mensch integer, wenn er oder sie unbestechlich gegenüber Verlockungen ist, treu zu den Werten der Firma steht und tut, was er sagt. Eine integre Person ist das Gegenteil einer korrumpierbaren, nur dem eigenen Vorteil verpflichteten, unberechenbaren und unzuverlässigen Person. Integrität ist für alle Mitarbeiter eines Unternehmens wichtig. Die maßgebenden Werte sind immer wieder zu kommunizieren und vorzuleben. Die Forderung, sich jederzeit integer zu verhalten, gilt primär für die Führungskräfte. Ihr Beispiel ist ein entscheidender Faktor für die Glaubwürdigkeit und den Vorbildcharakter der Unternehmensführung. Je höher eine Führungskraft in der Hierarchie steht, desto größer ist ihr Einfluß: Erstens auf die Kultur (Wie geht man miteinander um? Wie steht es mit der Fehlerkultur?), und zweitens auf die Reputation (Welchen Ruf genießt das Unternehmen in der Gesellschaft? Ist es kreditwürdig?). Integer ist eine Führungskraft, wenn sie sich über eine längere Zeit den Ruf einer vertrauenswürdigen Person erarbeitet hat; sie hat sich sowohl im Alltag als auch in Krisen für mittel- und langfristige Unternehmensziele eingesetzt und sich gegenüber den Mitarbeitern und Dritten glaubwürdig verhalten. Das ist einfacher gesagt als getan, über Integrität läßt sich leicht schreiben. Schwierig ist die Umsetzung in die Praxis, Tag für Tag, in unterschiedlichen Konstellationen und mit wechselnden Herausforderungen. Hierzu braucht es innere Kraft, Durchhaltevermögen und Verantwortungsbewußtsein. Dabei ist hervorzuheben, daß nicht das Verfehlen von Unternehmenszielen zum Verlust der Integrität führt, sondern ausnahmslos menschliches Fehlverhalten: Eine Lüge wider besseren Wissens, der Mobbing-Vorwurf von drei Angestellten, manipulierte Spesen oder sonstige widerrechtliche Vorteile genügen, um die Integrität einer Führungskraft zu diskreditieren. Monate- oder jahrelang hatte ein Chef den Ruf einer integren Führungsperson. Nun, quasi mit einem Schlag, verliert er oder sie das Vertrauen der Mitarbeiter und vielleicht gleichzeitig die Glaubwürdigkeit in den Augen einer breiteren Öffentlichkeit. Wie gewonnen, so zerronnen. Integrität ist ein zentraler KPI, der sich schwerlich in eindeutigen Zahlen messen läßt, dessen rasch sinkender Wert aber das Unternehmen nachhaltig schädigt.

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Prof. Dr. Ulrich Zwygart

Honorarprofessor der Universität St. Gallen für Unternehmensführung; Divisionär aD, ehemaliger Managing Director der Deutschen Bank und Chief Learning Officer der Zurich Insurance Group; Berater von Konzernleitungen; Autor mehrerer Bücher über Leadership & Management. 2007 erhielt er den Swiss Economics Books Award.