Zunehmender Zeitdruck, höhere Komplexität und Kostendruck fordern immer schnellere aber auch nachhaltig haltende Entscheidungen. Wie kann man im Unternehmen somit Entscheidungen beschleunigen und gleichzeitig die Qualität des Entscheids hochhalten?
Werfen wir dazu einen Blick auf ein Team, welches unter Zeitdruck kritische Entscheidungen treffen muss, von denen das Leben vieler Menschen abhängt, dem Pilotenteam im Cockpit von Flugzeugen. Früher galt dort, dass der Kapitän immer recht hatte und seine Entscheidungen unanfechtbar waren, schliesslich war er der erfahrenste und älteste Pilot im Team und zuoberst in der Hierarchie. Leider fehlte dann bei einer Fehlentscheidung das Korrektiv, um diese aufzufangen. So stürzte auch schon ein Flugzeug ab, weil sich der Co-Pilot und Techniker im Cockpit nicht getrauten, den Kapitän auf den ausgehenden Treibstoff aufmerksam zu machen – der Kapitän hatte vorher die Treibstoffmenge selber berechnet und festgelegt. Obwohl die Beteiligten die tödlichen Konsequenz selber zu tragen hatten, war die Angst sich lächerlich zu machen, den Kapitän in Verlegenheit zu bringen oder zu verärgern grösser als die Bereitschaft, auf den Fehler aufmerksam zu machen – wie hoch ist wohl die Bereitschaft, den Chef auf einen Fehler aufmerksam zu machen in eine Arbeitsteam, in dem es nicht um Leben oder Tod geht?
Um Entscheidungen im Cockpit in kritischen Situationen und unter Zeitdruck zu verbessern, wurde in den siebziger Jahren, basierend auf den Ergebnissen eines NASA-Workshops, das Crew Ressource Management (CRM) etabliert und von allen Fluggesellschaften übernommen.
CRM fokussiert darauf, die vorhandenen Ressourcen (Fähigkeiten, Kenntnisse, Kompetenzen) in einer Crew optimal zu nutzen. Im Cockpit sitzen zwei voll ausgebildete Piloten, die das Flugzeug unter allen Umständen auch alleine fliegen können und von denen einer die Gesamtverantwortung für das Flugzeug und die Menschen an Board trägt. Die Ressourcen optimal zu nutzen bedeutet, sich der Schwächen bewusst zu werden und Strategien zu entwickeln, wie diese behoben werden können. Zum Beispiel machen Menschen Fehler. Das heisst, der Kapitän muss lernen, die Kritik vom Co-Piloten anzunehmen und dieser muss lernen, souverän genug aufzutreten, um die Kritik auch in schwierigen Situation klar zu äussern. Dies gelingt am besten in einem offenen, freundlichen Arbeitsklima, was wiederum Aufgabe des Kapitäns als Vorgesetzter ist. Egal wer im Cockpit «go-Around» ruft und damit den Landeanflug abbrechen will, dessen Befehl wird umgesetzt und es wird durchgestartet – über den Grund kann man im Nachhinein diskutieren.
Des weiteren wird immer ein «Pilot-Flying» definiert, welcher für’s Fliegen verantwortlich ist, der andere Pilot unterstützt ihn dabei. Damit werden klare Verantwortlichkeiten definiert und explizit gemacht.
Wird ein Pilot auf einen Fehler aufmerksam gemacht, rechtfertig er sich nicht, sondern gibt ein einfaches «Danke» zurück.
Die Crews werden auch bewusst immer wieder anders zusammengestellt, damit sich nicht Routinen einschleichen, welche vom obigen Grundsätzen abweichen und für andere nicht mehr nachvollziehbar sind.
Dieses Modell, welches auf eine offene Kommunikation setzt hat die Entscheidungen im Cockpit massgeblich beschleunigt und deren Qualität sogar erhöht. Die durch menschliches Versagen verursachten Umfälle sanken von 70% auf unter 30%.
Wo Fehler allerdings als unverzeihliche, persönliche Unzulänglichkeiten und als Versagen gelten, hat das Crew Ressource Management keine Chance und damit können Entscheidungen wohl unter gleichbleibender Qualität nicht wirklich beschleunigt werden.
Das Crew Ressource Management wurde auch schon auf den Gesundheitsmarkt in Spitälern bei Ärzten übertragen und lässt sich auch gut im Businessumfeld anwenden zum Beschleunigen von Entscheidungen:
- Als was werden Fehler in Ihrem Team aufgefasst?
- Entscheidet bei Ihnen der Kapitän immer alles oder kann der Co-Pilot auch alleine fliegen?
- Welche Ressourcen bestehen in ihrem Team?
- Ist explizit angesprochen, wer ist bei welcher Aufgabe Pilot-Flying ist, wer assistiert?
- Wie ist das Arbeitslima?
- Hat der Vorgesetzte gelernt, Kritik anzunehmen?
- Hat der Mitarbeiter gelernt, Kritik anzubringen und zielführend zu formulieren?
- Gibt es Debriefings bzw. Reflexionen oder Lessons Learnt?
- Wer bedankt sich, wenn er auf einen Fehler hingewiesen worden ist?
Voraussetzungen für das Beschleunigen von Entscheidungen
- Fehlerakzeptanz (Fehler sind Teil des menschlichen Handelns und lassen sich auch bei grösster Sorgfalt nicht vermeiden – statt Fehlervermeidung, mit Fehlern konstruktiv umgehen)
- Sanktionsfreiheit (Fehler werden nur dann offen angesprochen, wenn man nicht befürchten muss, dafür Sanktionen zu erleben)
- Top-Down vorleben: Wie der Chef, so die Mitarbeiter.
- Kommunikation: Selbst Experten können irren und ein Wissensvorsprung heisst nicht automatisch, eine Fehlermeldung abzublocken.
- Reality Check: Situationen können unterschiedlich wahrgenommen und beurteilt werden. Interpretationen von Daten und Ausgangslagen sollten gegenseitig überprüft werden, egal auf welcher hierarchischen Ebene.
- Reflexion: Um aus Fehlern zu lernen, müssen Fehlerursachen gesucht und analysiert werden, am besten unter Kollegen in einer gemeinsamen sachlichen Reflexion zwischen Mitarbeitern und Vorgesetzten.
- Schulung: Die Erfahrung aus der Luftfahrt zeigt, dass die Umsetzung von CRM nicht von heute auf morgen gelingt. Zehn Jahre hat es ca. gedauert. Dazu braucht es aber keine fancy Change-Projekte, sondern vorgelebte Überzeugungsarbeit mit regelmässiger, z.B. einmal jährlicher Schulung, um die Kommunikationskultur stetig zu verbessern.
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