Der Feind ??? kein “dirty word”

In this article:

Zwischen Freund und Feind unterscheiden, dürfen wir. Sprache soll Realität abbilden, nicht unkenntlich machen. Auch die Personalabteilung hat keinen Sprachadministrationsauftrag.

Die HR-Sprache ??? die Sprache der Personalabteilung ??? hat viele Unterscheidungen stark gemacht: Management versus Leadership, Potential versus Zwischenstand, Mensch versus Ressource. Doch hat sie vermutlich ebenso viele Unterscheidungen unterschlagen ??? zugunsten eines positiven Denkens, das keine Schattenseiten kennt. Der Freund-Feind-Code liefert ein extremes, fast schon schmerzhaftes Beispiel. Dieser Code ist tabu.

 Was die HR-Sprache suggeriert: Wer von Feinden spricht, braucht einen Coach. Zwischen Freund und Feind zu unterscheiden, wird durch Wortvermeidung pathologisiert. Statt von Feindschaft spricht man lieber von Konflikt, von Konkurrenz, vom Sparringpartner, allenfalls vom Gegner, oder, abstrakt genug, von Defektion. Und Freunde sind ohne Feinde zu haben: freundschaftlicher Umgang beweist Sozialkompetenz; Kollegen sind zu duzen; selbst Knoten im Netzwerk sind ???Friends???. Der Begriff des Feindes dagegen ist entfernt worden.

Was mit dieser gereinigten Sprache verloren geht? Die organisationale Realität und das Gespür für menschliche Ausnahmelagen. Nicht zufällig ist die Unterscheidung zwischen Freund und Feind irreduzibel. Es sind die beiden Randzonen, zwischen denen sich die menschlichen Beziehungen entfalten. Weshalb eine der beiden leugnen? Mi??trauen, Skepsis und Verweigerung sind natürliche Haltungen, die im Unternehmen mit derselben Logik auftreten wie Konkurrenz, Hierarchie und Unübersichtlichkeit. Wer von Feinden spricht, braucht vielleicht deshalb einen Coach, weil er tatsächlich Feinde hat ??? nicht weil ihm das Wort abgewöhnt werden mu??. Es macht keinen Sinn, vertrauensvolle, vorbehaltslose und positiv gestimmte Zusammenarbeit sprachlich vorwegzunehmen, bevor sie erreicht wurde. Mittendrin kann durchaus grimmige Verfeindung stehen und erst am Ende eine akzeptable Lösung.

Tiefe Freundschaft, erbitterte Feindschaft ??? nichts für Sprachadministratoren des Zwischenmenschlichen. Die Unterscheidung bezeichnet ein Spannungsfeld, das menschlich ist, weil es von Leidenschaft und Emotion erzeugt wird. Freunde liebt man, Feinde werden geha??t. Die HR-Sprache dagegen beschwört blutleere Beziehungen.

Wo ist das Problem? Sprache soll Realität abbilden, nicht unkenntlich machen. So wie die Dinge stehen, so sollen sie auch benannt werden. Wer das Unternehmen verändern will, mu?? über ein realistisches Vokabular verfügen. Was man verschweigt, kann man nicht gestalten. Das Wort “Feind” ist kein “dirty word”.

 

 

Facebook
Twitter
LinkedIn
WhatsApp