Ohne Risikoethik geht nichts

Eine Waage: eine Seite für den Wert der Chancen, die verschiedene Möglichkeiten symbolisiert, und die andere Seite für die damit verbundenen Risiken.

Je wertvoller die Chance, desto größer ist die Risikobereitschaft. Wie bewerten wir sie? Risikomanagement kennt keine Alternative zwischen Ökonomie und Ethik.

Keine Chance existiert ohne Risiko. Warum ist das so? Eine Chance wird zur Chance durch ihren Wert für uns, wenn er sich realisiert. Das Risiko wird zum Risiko durch die Unsicherheit dieser Wertverwirklichung.

Unsicherheit bedeutet nicht nur eine Wahrscheinlichkeit oder eine Zahl. Am Wert haftet ein Unwert, der sich möglicherweise realisieren könnte. Der Wert birgt immer die Unsicherheit des Verlustes in sich; der Wert, ein neues Produkt zu schaffen, beinhaltet das Risiko von Kostenüberschreitungen oder Verzögerungen. Wenn wir von Chancen mit Risiken sprechen, meinen wir, dass es unsicher ist, ob wir den gewünschten Wert erreichen können. Und wir müssen hinzufügen: Es besteht eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Realisierung unerwünschter Verluste.

Dementsprechend müssen wir Chancen und Risiken abwägen und versuchen, sie miteinander zu vergleichen. Dabei arbeiten wir nicht nur mit Wahrscheinlichkeiten, sondern setzen diese in Beziehung zum angestrebten Wert. Der Wert der Chance beeinflusst unsere Wahrnehmung des Risikos. Je wertvoller die Chance, desto eher sind wir bereit, das Risiko einzugehen.

Diese Beziehung zwischen dem Wert einer Chance und der Risikobereitschaft ist jedoch keine lineare Kurve. Es gibt für uns keine Chance um jeden Preis, selbst wenn es um Leben und Tod geht. Kein Wert einer Chance kann jemals so hoch sein, dass er jedes Risiko aufwiegt. Hier liegt die wichtigste Aufgabe des Risikomanagers. Risikomanagement besteht darin, eine Grenze zwischen akzeptablen und inakzeptablen Risiken in Bezug auf den Wert einer Chance und die Risikobereitschaft zu ziehen.

Wo verläuft diese Grenze? Kein mathematisches Modell kann hier eine eindeutige Antwort liefern. Die quantitativen Instrumente des Risikomanagements verblassen angesichts dieser Frage. Denn die Antwort hängt von unserer Bewertung ab, nämlich von unserer Entscheidung zwischen Wert und Unwert. Die Quantifizierung anhand von Wahrscheinlichkeiten und die Übersetzung in monetäre Begriffe sind nicht nur objektive Maßstäbe. Wir müssen entscheiden, wie sehr wir sie gewichten. Wie viel Unsicherheit können wir bei einer Chance tolerieren? Wie viel sind wir bereit, dafür zu zahlen? Das bedeutet buchstäblich: Es gibt keine objektiven Gewichte, die ein objektives Abwägen zwischen Chance und Risiko ermöglichen, denn wir sind es, die diese Gewichte festlegen.

Um es anders und abschließend auszudrücken: Risikomanagement ist immer Risikoethik. Risikomanagement ist nichts Neutrales, nichts rein Wissenschaftliches, nichts rein Technisches. Es geht um die Entscheidung zwischen Wert und Unwert und in diesem ethischen Sinne (und nicht im mathematischen Sinne) um die Bewertung der Unsicherheit. Die Frage stellt keine Alternative zwischen Ökonomie und Ethik dar. Sie lautet: Wie wird diese Ethik gestaltet? Sie prüft, welchen Intuitionen wir folgen, wie schlüssig die daraus resultierenden Schlussfolgerungen sind und inwieweit die Fülle der Werte in der Situation erfasst wird.

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