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Der Holzweg zu den Besten oder die Hierarchie der Unfähigen.

Der beste Software-Entwickler wird zum Vorgesetzen des Software-Teams befördert und gibt den schlechtestmöglichen Chef ab. Der geschätzte Teamleiter wird in die Konzernentwicklung berufen und ist mit den konzeptionellen Aufgaben völlig überfordert. Wer seine sachbezogenen Aufgaben bestens erfüllt, wird befördert und versagt, weil er nicht in der Lage ist, Menschen zu führen. Ein Teamleiter wird befördert, weil er ein besonders guter Leader ist und versagt, weil er nicht zum Verwaltungsmann einer ganzen Abteilung taugt.

Mit der Beförderung haben sie alle die Stufe ihrer Inkompetenz erreicht: Ahnungslos gegenüber ihrer neuen Aufgabe verlieren sie sich in Nebensächlichkeiten, um grandiose Fehlentscheidungen zu treffen, die nur deshalb nicht in die Katastrophe führen, weil fähige Mitarbeiter eingreifen, ohne da?? es der Vorgesetzte merkt. Der Weg zu den Besten endet auf der Klippe der Unfähigkeit.

In einer Hierarchie neigt jeder dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen. Dieser Befund wird als “Peter-Prinzip” bezeichnet, nach seinem Entdecker Laurence J. Peter*, einem kanadisch-usamerikanischen Pädagogen. Sein gleichnamiges Buch wurde, als Sozialsatire getarnt, ein Weltbestseller.

Das Peter-Prinzip, obwohl gar nicht als wissenschaftliche These gemeint, besitzt eine enorme Alltagsevidenz. Es bestätigt sich in uns allen vertrauten Beobachtungen aus dem Berufsleben.
So bietet das Peter-Prinzip eindeutige “Endplatzierungsmerkmale”, die zu erkennen geben, ob ein Kollege seine Inkompetenzstufe erreicht hat. Phonophilie ist ein solches eindeutiges Merkmal: die krankhafte Neigung, mehrere Telefone, Tablets und Readers gleichzeitig zu besitzen und gleichzeitig zu bedienen. Phonophile Leute sind kontaktschwach und versuchen, ihre Schwäche zu verdecken. Oder die “Rigor Cartis” (“Kartenstarre”), das zwanghafte Bestreben, auch den kleinsten Geschäftsvorfall in Weisungen, Organigrammen und Ablaufdiagrammen abzubilden.

Ebenso kann der Reifequotient (RQ) von Interesse sein: Er berechnet sich aus der Anzahl der Beschäftigten im Zustand der Inkompetenz x 100 / Gesamtzahl der Beschäftigten in der Hierarchie. Sobald der Reifequotient den Wert 100 erreicht, wird offensichtlich keine sinnvolle Arbeit mehr geleistet.

Ist das realistisch? Wieviele befinden sich tatsächlich im Zustand der Inkompetenz? Eine repräsentative Studie der Personalberatung Rochus Mummert in Deutschland zeigt, da?? zwei von drei Mitarbeitenden ihre Vorgesetzten für fachlich ungeeignet halten.

Als Gegenprinzip zum Peter-Prinzip wird auf den Schuster verwiesen, der bei seinen Leisten bleiben soll. Eine Beförderung wäre demnach zu verweigern, was aber nicht so einfach ist. Und wer trotzdem befördert wird, kann das System mit dessen eigenen Waffen schlagen: Man verbreite den Eindruck, da?? man seine Stufe der Unfähigkeit schon erreicht habe.

In ironischer Form verdeutlicht das Peter-Prinzip Beobachtungen aus der Praxis in der Unternehmenshierarchie. Jeder Mitarbeiter sollte sich fragen, wann der Weg zu den Besten ihn nahe genug an die Klippe der Unfähigkeit führt. Und jeder Vorgesetzte sollte sich überlegen, ob eine Beförderung unausweichlich ist oder ob es andere Möglichkeiten gibt, Wertschätzung für die Arbeit des Mitarbeiters auszudrücken.

 

*Laurence J. Peter, Raymond Hull: Das Peter-Prinzip oder die Hierarchie der Unfähigen, Hamburg 1970 (Originalausgabe: The Peter-Principle, New York 1969)

 

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