Indem seinerzeit Ford mit dem fehlkonstruierten Pinto-Modell Produktionskosten gegen Haftungskosten aufrechnete, war der Skandal die Konsequenz. Wie komme ich von diesem historischen Extremfall zu einer erweiterten Wertsicht?
Ein Tank, der bei Unfall explodiert, und wider besseres Wissen nicht umgebaut wird, ein Management, das vermeidbare Unfalltote in Kauf nimmt ??? die Pintostrategie ist in dieser Hinsicht wertblind ausgefallen. Aus philosophischer Perspektive ??? aus Sicht der Werttheorie ??? ist Wertblindheit eine Form der Werttäuschung, und zwar ihre schlimmste Form. ??ber Werte täuschen wir uns nicht selten, was wir bereits alltagssprachlich zum Ausdruck bringen, wenn wir ??? im Gegensatz zu vermeintlichen oder nachrangigen ??? von ???wahren Werten??? sprechen.
Deshalb ist strategisches Denken von Werttäuschungen nicht ausgenommen, im Gegenteil. Allerdings dokumentiert die historische Pinto-Strategie den Extremfall. Er ist vergleichbar mit der Situation eines Mathematik-Anfängers. Weil dieser ungeschult ist, steht er der mathematischen Beweisführungen blind gegenüber ??? er sieht sie nicht ein, und zwar wortwörtlich. Das Auge für den mathematischen Beweis mu?? er zuerst ausbilden. Sein Denken mu?? geschult und für das Mathematische sensibilisiert werden.
Diese Situation wiederholt sich. In vielen Strategien werden ethische Bewertungen gar nicht eingerechnet. Weil schlicht und ergreifend die Kompetenz fehlt, ethische Bewertungen vorzunehmen, zu antizipieren oder sie als Risiko abzubilden.
Und selbst dann, wenn ethische Bewertungen vorgenommen werden: Hinter den Strategien, welche das Unternehmen zum Erfolg führen sollen, steht im Markt eine Wertekomplexität, die meistens unterschätzt wird. Strategien sollten deshalb gerade Instrumente zur Bewältigung dieser Wertekomplexität sein ??? und in dieser Hinsicht über die alten Landkarten mit wei??en Flecken hinauskommen.
Inwiefern mu?? das strategische Denken Wertekomplexität bewältigen? Werte stellen sich immer nur in einem Ausschnitt dar. Gesehen wird vor allem das, was bekannt und vertraut ist. Werte, die über das Bekannte und Vertraute hinausgehen, fallen hinter den Denkhorizont ??? sowohl begrifflich wie zeitlich.
Im Ford-Pinto-Fall war den Strategen nicht bekannt, wie sehr der Wert eines einzelnen Menschenlebens in der ??ffentlichkeit wirkt und zählt ??? und so auch für Ford-Strategen zählen mu??. Die Ford-Strategen hatten weder für den Unwert eines Todesopfers einen strategischen Begriff noch hatten sie die zynische Wirkung ihrer Strategie für die Zukunft abschätzen können.
Umso wichtiger ist es, den Werthorizont einer Strategie möglichst zu vergrö??ern. An die Stelle der fatalen Wertblindheit soll ein gesundes Wertgefühl treten. Allerdings genügt auch das gesunde Wertgefühl noch nicht.
Denn es gilt, noch eines zu beachten: ??ber das gesunde Wertgefühl entscheidet nicht allein das Unternehmen. Der Stakeholder und die ganze Gesellschaft, in welcher der Markt spielt, entscheidet. Deshalb gelingt Wertsensibilisierung immer dann, wenn Strategien durch harte Werteprüfungen hindurchgehen, in denen sie auch vor der Bewertung eines Dritten bestehen. Solche Diskussionen, solche Durchgänge durch ethische Urteile, erweitern, um einen Ausdruck aus der Wertontologie zu gebrauchen, den ???Wertblick???. Er sollte mit dem strategischen Blick in die Zukunft gleichauf sein.